Adressverlage in der Kritik
Die Datenschutzbehörde in Österreich hat aktuell ein Prüfverfahren gegen die österreichische Post eingeleitet. Die Rechercheplattform Addendum hat aufgedeckt, dass die Post nicht nur Adressen handelt, sondern in großem Umfang Daten aggregiert und dabei offenbar auch nicht davor zurückschreckt, durchaus als sensibel und personenbezogen geltende Daten zu verarbeiten, wie z.B. bezüglich deren politischer Affinitäten.
Unklar ist, auf welche Algorithmen oder Quellen sich die Post bezieht, wenn sie Person eine Affinität zur FPÖ, SPÖ, ÖVP, den Grüne oder Neos zuschreibt. Gehen wir einmal nicht davon aus, dass die Post unerlaubten Zugriff auf Mitgliedsverzeichnisse von Parteien besitzt und das Wahlgeheimnis in Österreich intakt ist, muss man vermuten, dass diese bspw. aufgrund mikrogeografischer Segmentierung oder bekannter Scoring Verfahren zugewiesen werden - mehr oder weniger nach Wahrscheinlichkeit. Es ist aber auch zu vermuten, dass die Post mit ihren Dienstleistungen im Direktmarketing bspw. Adressenmaterial einer Partei für die Zusendung von Werbematerial ebenfalls nutzt, um dieser Adresse eine Affinität zu jener Partei zu unterstellen, angereichert mit selbst zugekauften Daten.
Die Problematik besteht zunächst darin, dass hier quasi aufgrund wilder
Vermutungen Zusammenhänge konstruiert werden, die dann als Information Dritten verkauft werden. Georg Mündl, der Leiter des Adressmanagements bei der Post, meinte im Mittagsjournal des ORF (8.1.2018), die Post wisse nicht, welche politischen Präferenzen ein Kunde hat. Es würden lediglich Wahrscheinlichkeiten herausgerechnet, um die Treffsicherheit von Postsendungen zu erreichen.
Auch wenn Kunden darauf hingewiesen werden, dass diese Informationen nicht zwangsläufig Tatsachen darstellen, sondern Wahrscheinlichkeiten, wird das landläufig nicht wirklich kritisch auseinandergehalten. Addendum führt das in einem Videointerview mit dem IT-Anwalt Axel Anderl vor.
Stellen Sie sich vor, wir hätten Zustände wie in der Türkei, dann könnte so eine kursierende Vermutung, man sei Anhänger der Gülen-Bewegung, durchaus zur Verfolgung und Inhaftierung führen, selbst dann, wenn das faktisch nicht zuträfe. Und wer mag ausschließen, dass es auch in Österreich wieder derartige politische Missstände geben könnte, in welchen freie Meinungsäußerung und politisches Engagement nicht persönliche Nachteile zur Folge hätte.
Aber auch über Fragen der Affinität zu politischen Parteien hinaus, könnte ein einträgliches Geschäft mit Vermutung Schaden anrichten, dann wenn es bspw. um Zuweisung von Lebensstilen geht, von Konsum- und Kaufverhalten, von weltanschaulicher oder sexueller Orientierung etc.
Wer sich mit Internet und Daten befasst weiß, dass es nicht schwierig ist, über ‚Big Data’ letztlich zu einem sehr genauen Personenprofil zu kommen. Aus aggregierten Tatsachen können algorithmisch Wahrscheinlichkeiten so verdichtet werden, dass diese in hohem Maße zutreffende Aussagen ermöglichen. Das kann nicht im Interesse der Menschen sein. Daher bleibt zu hoffen, dass die EU DSGVO strikt exekutiert wird und die noch ausstehende EU E-Privacy Verordnung (ePVO) ohne Verwässerungen durch Lobbys wie eben Adressverlagen beschlossen werden wird.
Dieser Vorfall darf als Nagelprobe gelten, wie Ernst es der Datenschutzbehörde und der Regierung in Österreich mit dem Datenschutz und der kompromisslosen Umsetzung der DSGVO ist.
Die Datenschutzbehörde stellt Verstöße der POST AG gegen das Datenschutzgesetz fest.
Das Recherchenetzwerk Addendum hät der österreichischen Post weitere Verstöße gegen den Datenschutz vor:
Gemeinsam mit einem Technologiepartner vermarktet der Konzern personenbezogene Informationen aus der Online-Nutzung für postalische Werbung.& (18.2.2019)
Die österreichische Post hat in einer APA Presseaussendung erklärt, die gesamte Datenbank so schnell wie möglich und rechtlich zulässig zu löschen und diese datenschutzkonform wieder aufzubauen.
Dr. Conrad Lienhardt
Unternehmensberater
Rechtskonforme Ausgestaltung und Optimierung von Kundenbeziehungen, Datenschutz
Tel: +43 732 90 80 36 | Mobil: 0699 15 31 67 76 | E-Mail
1 Kommentar
Kommentar von: Jacques Toti Besucher
Nachdem die Post mit zahlreichen Auskunftsanfragen nach DSGVO konfrontiert ist, bleibt zu hoffen, dass jedenfalls sämtliche Auskünfte gegeben werden auf Basis der bisherigen Praxis. Es kann ja nicht sein, dass da die Post antwortet, es täte ihr leid, aber die Anfrage könne nicht beantworten, weil die Datenbank gelöscht wurde.
Formular wird geladen...