Datenschutz — Accessoire eines Operettenstaates
Das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wird am 28. Februar von 35 Männern, einer Spezialeinheit für Straßenkriminalität, gestürmt, weil das BVT mutmaßlich das Datenschutzgesetz verletzt haben soll. Ein Vorgang, der nur in einem Operettenstaat möglich ist.
Kommentar — Stellen Sie sich vor, sie haben zu unrecht personenbezogene Daten gespeichert. Sie haben weder eine rechtliche Grundlage (berechtigte Interessen) noch liegt eine Einwilligung der Betroffenen für die Speicherung und Verarbeitung vor. Dann plötzlich, unverhofft stürmt eine bewaffnete Spezialeinheit ihr Unternehmen. Ein Betroffener hat beim Innenministerium Anzeige erstattet und Zeugen beigebracht, die die unerlaubte Speicherung seiner Daten im Unternehmen glaubhaft machen sollen. Das Innenministerium verweist den Betroffenen nicht an die eigentlich dafür zuständige Datenschutzbehörde, sondern behandelt die Anzeige so, als ginge es um Geheimnis- und Landesverrat. Dabei wird Ihnen nicht einmal Datenschutzverletzung im großen Stil vorgeworfen, sondern im Endeffekt nur zwei Fälle vorgehalten. Das Innenministerium jedenfalls nimmt die Sache in die Hand und spricht nicht von Verstoß gegen das Datenschutzgesetz und von möglicherweise Dienstversäumnissen, sondern von Korruption. Die Wirtschaft- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wird eingeschaltet. Auch bei Mitarbeiter*innen ihres Unternehmens werden Hausdurchsuchungen durchgeführt.
Bei der Gelegenheit der Hausdurchsuchung werden nicht nur mögliche Beweismittel zum Nachweis der Vorwurfs der Verletzung von Datenschutzbestimmungen mitgenommen, sondern einige Festplatten, Mobiltelefone, DVDs und CDs, auf welchen u.a. auch Betriebsgeheimnisse wie sensible Informationen zu Produkten gespeichert sind. Dem Antrag, diese mutmaßlichen Beweismittel zu verschließen, wird nicht nachgekommen. Als Unternehmer können sie nur glauben, darauf vertrauen und hoffen, dass bei der Sicherstellung und Verwahrung sowie Durchsicht nicht genau das passiert, was ihnen unterstellt wird, d.h. Missbrauch der Daten.
Eines steht jetzt schon fest; selbst wenn sich alle Anschuldigungen als falsch herausstellen sollten, das Image Ihres Unternehmens ist beschädigt, als Geschäftsführer sind sie angezählt, der Schaden ist groß.
Noch skurriler wird die Unverhältnismäßigkeit des Vorgehens des Innenministeriums, wenn man einen Blick auf die Strafen wirft, die das Datenschutzgesetz für Vergehen vorsieht. Die Höchststrafe beläuft sich nach geltendem Datenschutzgesetz auf 25.000 EUR. Der Einsatz selbst kostete wahrscheinlich ein Vielfaches. Damit stellt sich nicht nur die Frage der Verhältnismäßigkeit, sondern auch der nach Verschwendung von Steuergeldern. Sollte bei einer gerichtlichen Klärung herauskommen, dass das Innenministerium unangemessen gehandelt haben sollte, wäre zumindest der Rücktritt des Innenministers zu fordern und gegen die maßgeblich darin involvierten führenden Beamten ein Disziplinarverfahren einzuleiten.
Im aktuellen Fall des BVT: Das Renommee von Nachrichtendiensten, der Staatsanwaltschaft und des Innenministeriums wurde durch diesen Vorgang beschädigt. Was den Innenminister Kickl angeht, so gilt wohl ohnehin: ist der Ruf schon ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.
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Dr. Conrad Lienhardt
Unternehmensberater
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