Berechtigte Interessen - Was ist damit in der DSGVO gemeint?
In Österreich hört man von Konsumentenschützern, dass die EU DSGVO gegenüber der bisherigen EU Richtlinie 95/46/EG teilweise eine gesetzliche Verschlechterung für die schutzwürdigen Interessen von Privatpersonen bringen wird. Als Beispiel werden die sogenannten „berechtigten Interessen” Verantwortlicher angeführt.
Berechtigte Interessen Verantwortlicher
In ErwG 47 ist zu lesen, dass Verantwortliche personenbezogene Daten rechtmäßig auch ohne Einwilligung verarbeiten dürfen, wenn die Interessen oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen nicht überwiegen
. Auch wenn es weiter heißt, dass das Bestehen eines berechtigten Interesses besonders sorgfältig abzuwägen
ist, wird damit das in Art. 5 DSGVO formulierte Prinzip der Rechtmäßigkeit relativiert und die in Art. 7 DSGVO geforderten Voraussetzung für das Vorliegen einer rechtmäßigen Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten aufgeweicht.
Ausdrücklich wird in ErwG 47 ausgeführt: Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.
Die Erwägungsgründe (ErwG) sind, worauf die Bezeichnung bereits hindeutet, keine Eindeutigen Festlegungen. So wird bspw. nicht taxativ erläutert, unter welchen Bedingungen die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung möglich ist. Es wird lediglich eingeräumt, dass dies nicht generell ausgeschlossen wird. Ähnlich verhält es sich bei Formulierungen wie überwiegen
. Was sind die normativen Kriterien für ein Überwiegen der Rechte Betroffener gegenüber den Interessen Verantwortlicher? Sie werden nicht benannt.
Besonders bedenklich ist beispielsweise das Verständnis von „berechtigtem Interessen” bei vielen Auskunfteien, dh. jenen Unternehmen, die über die Bonität und Zahlungswilligkeit von Privatpersonen und Unternehmen Auskunft geben. Lesen Sie dazu mehr in einen gesonderten Beitrag für registrierte Nutzer.
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Was bedeutet das für Unternehmen?
Rechtsunsicherheit
Zunächst einmal schafft dies Rechtsunsicherheit und bringt damit den Wettbewerb in eine Schieflage. Unternehmen, die vorsichtig und konservativ keinen oder nur restriktiven Gebrauch von dieser unscharfen „kann” Einräumung machen, sind im Wettbewerb gegenüber Unternehmen mit deutlich höherer Risikobreitschaft was Gesetzeskollisionen angeht, benachteiligt. Das wird gerade am Beispiel „Direktwerbung” sichtbar wird.
Lassen sich Unternehmen daher dazu verleiten, diese Unschärfe extensiv auszunutzen, gehen sie ein Risiko ein, das sich derzeit nicht wirklich abschätzen lässt. Dazu sind entsprechende höchstgerichtliche Entscheidungen erforderlich, d.h. die Klärung über den gerichtlichen Instanzenweg. Bis das der Fall sein wird, dürften Jahre vergehen.
Das kann bedeuten, dass Unternehmen in lange Verfahren verstrickt werden könnten, die nicht nur kostspielig sind, sondern darüber hinaus weitere Ressourcen binden.
Die Informationspflicht bleibt bestehen
Auch wenn ein Verantwortlicher, also Unternehmen, Organisationen etc., personenbezogene Daten aufgrund berechtigter Interessen verarbeiten, sind sie an die Informationspflicht nach Artikel 14 DSGVO gebunden. D.h. sie müssen Betroffene darüber informieren. Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn die personenbezogenen Daten von Dritten stammen.
Auswirkungen auf Kundenbeziehung
Wer bspw. Direktwerbung nutzt und sich nicht darum kümmert, ob das in Übereinstimmung mit dem gesetzlich geregelten Schutz personenbezogener Daten von Kunden oder Interessenten erfolgt, wem - mit anderen Worten - die Qualität der Kundenbeziehung gleichgültig ist, der riskiert ein entsprechendes Image. Das wird sicherlich einem Geschäftserfolg alles andere als hilfreich sein.
- Klären Sie Kunden und Interessenten umfänglich darüber auf, warum Sie welche personenbezogenen Daten für wie lange verarbeiten wollen oder an Auftragsverarbeiter weiterleiten und lassen Sie sich dafür eine Einwilligung erteilen. Dokumentieren Sie diese Einwilligungen.
- Respektieren Sie, wenn Sie die erforderlichen Einwilligungen nicht von allen bekommen.
- Klären Sie Mitarbeiter*innen auf, auf welcher gesetzlichen Grundlage Sie und ggf. welche Auftragsverarbeiter deren personenbezogene Daten zu welchem Zweck und für welche Dauer verarbeiten wollen und wem welche Daten in welchem Umfang auf welcher gesetzlicher Basis zugänglich gemacht werden (in Österreich z.B. nach ArbVG)
- Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, diesen Aufwand aus welchen Gründen auch immer zu vermeiden, in der unsicheren Annahme, Sie könnten
berechtigte Interessen
geltend machen. - Sollten Sie dennoch personenbezogene Daten ohne Einwilligung auf Basis
berechtigter Interessen
verarbeiten wollen, dann benennen Sie diese (stichhaltig!) bei der Datenerhebung, denn auch wenn in berechtigen Fällen die Einwillungspflicht entfällt, so bleibt dennoch die Informationspflicht aufrecht.
Dr. Conrad Lienhardt
Unternehmensberater
Rechtskonforme Ausgestaltung und Optimierung von Kundenbeziehungen, Datenschutz
Tel: +43 732 90 80 36 | Mobil: 0699 15 31 67 76 | E-Mail
Der Gesetzestext der DSGVO, EU-Lex
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5 Kommentare
Kommentar von: Susanne Schroeder Besucher
Lachhaft. In vielen Datschutzerklärungen werden Verstöße gegen die DSGVO damit entschuldigt, dass es “berechtigte Interessen” gäbe.
Am dreistesten fand ich das auf https://www.seelenerfuellung-heike-kaster.de/j/privacy gefunden. Da wird der Facebook Like Button mit begründetem Interesse gerechtfertigt. Dazu kommt, dass die Betreiberin offenbar wirklich keine Ahnung hat. Sie glaubt tatsächlich, dass es genügen würde, sich aus Facebook abzumelden, um von Facebook nicht weiter verfolgt zu werden.
Kommentar von: Gisela Müller Besucher
Sind dann meine Adressen, die ich mir bei Herold besorgt habe wertlos?
Kommentar von: Conrad Lienhardt Mitglied
Ich bitte Sie um ein wenig Geduld. Die Frage lässt sich nicht ohne rechtliche Recherche beantworten, da es zum Themenkomplex divergierende Rechtsauffassungen gibt. Die Frage wird im Blogpost „Fragen & Antworten: Datenschutz (DSG, EU DSGVO) |#2” aufgegriffen und dort wird dann auch die Antwort dazu veröffentlicht. Sie bekommen Bescheid, sobald der Beitrag veröffentlicht wird.
Kommentar von: Gerald Bittner Besucher
Bedeutet das, dass man künftig auch für Listendaten Einwilligungen benötigt?
Kommentar von: Conrad Lienhardt Mitglied
Ja; die Regelung mit Listendaten ist mit 25.5.2018 überholt.
Natürlich können „berechtigte Interessen” bspw. bei einer Online-Bestellung bzgl. Rechnungs- und Lieferadresse geltend gemacht werden. Allerdings dürfen diese Daten tatsächlich auch nur zur Rechnungslegung und Lieferung genutzt werden, und auch nur für den konkreten Bestellvorgang. Eine darüber hinausgehende Verarbeitung der (Kunden-)Daten für Direktwerbung ist in Österreich im berechtigten Interesse des Unternehmens lt. §7 Abs. 3 TKG möglich. Hier wird die Einwilligung quasi unterstellt. Voraussetzung ist, dass Sie den Kunden über das Recht auf Widerspruch aufgeklärt haben und das auch nachweisen können und sofern der Kunde nicht in der ECG Liste eingetragen ist. In Deutschland wäre nach §7 Abs. 3 UWG gewissermaßen ebenfalls, jedoch deutlich eingeschränkt ein sog. Soft-Opt-in möglich. Einfacher wäre es, bei dieser Gelegenheit den Kunden nicht nur über das Widerspruchsrecht aufzuklären, sondern auch gleich eine Einwilligung einzuholen.
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