Die DSGVO fordert das Marketing heraus
Zweifelsohne wird die EU Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) vor allem die IT und Rechtsabteilungen von Unternehmen beschäftigen und herausfordern. Aber es hieße die DSGVO in ihrer Tragweite völlig zu unterschätzen, blieben die Herausforderung darauf beschränkt.
Die DSGVO ist ein wichtiges Thema für Marketing und Vertrieb
Im Marketing gilt als Binsenwahrheit: Je mehr man über Interessenten und Kunden weiß, desto erfolgreicher wird das Unternehmen sein. Kundendaten sind zur heiß begehrte Handelsware geworden und Kundenwissen zu vertreiben ist seit Jahren ein einträgliches Geschäft. Social Media Plattformen bspw. haben das früh erkannt und ihr Erlösmodell, so nicht gar das Geschäftsmodell zielt darauf ab, Mitglieder dazu zu bringen, möglichst viel über sich und Ihr Umfeld preiszugeben, diese Daten mittels intelligenter Algorithmen zu verknüpfen, anzureichern und das daraus gewonnene Wissen zu verkaufen — Facebook ist das Paradebeispiel.
Marketing ist zweifellos der maßgebliche Treiber, wenn es um Kundendaten geht. Daher muss sich im Marketing, d.h. bei jedem einzelnen Marketer zunächst das Mindset ändern, um der DSGVO Rechnung tragen zu können. Ohne Änderung im Mindset wird es zu keiner Strategieänderung kommen und ohne diese wird es schwierig werden die DSGVO zu erfüllen.
Unternehmen, die als erstes reflexartig nach technischen Lösungen greifen, wie Datenschutzmanagement Software oder andere vergleichbare Produkte, die suggerieren, die DSGVO könne mittels Tools abgehakt werden, übersehen, dass sie so den zweiten Schritt vor den ersten setzen und entsprechend Gefahr laufen, zu kurz zu greifen.
Selbst EPU und Mikrounternehmen verarbeiten Daten
Allein im Zusammenhang mit Neukundengewinnung und zur Abwicklung von Kundenaufträgen ist es erforderlich, Daten zu erheben. Schon jetzt galt, dass nur so viele Daten erhoben werden dürfen, wie zur Abwicklung von Geschäften gemäß Vereinbarung erforderlich sind (Grundsatz der Datenminimierung). In der Regel sind das u.a.:
- Kontaktdaten, wie Vorname(n), Nachname, Adresse (Straße /Stock/Tür, PLZ, Ort, Land, Telefonnummern (mobil/Festnetz), EMail-Adresse(n),
- Beim Geschäftsabschluss kommen Bankverbindungsdaten hinzu, sowie Liefer- und Rechnungsadressen, soweit diese von den bestehenden Kontaktdaten abweichen, Kontaktdaten alternativer Ansprechpersonen sowie Informationen zu den bevorzugten Zahlungsmodalitäten, Zahlungserinnerungen und Mahnungen, eingeleitete Inkassos etc.
- Im CRM werden zudem alle Daten zur Kundenhistorie abgespeichert, d.h. angefangen von der Leadqualifizierung über sämtliche direkten werblichen Aktivitäten, telefonische und digitale oder persönliche Anfragen etc. bis hin zu allen Interaktionen mit den Kunden.
- Daten, die im Zusammenhang mit Angebot, Auftrag und Lieferung anfallen, über Beschwerden, Garantieleistungen etc., im Fernabsatz über Umfang und Häufigkeit von Rücksendungen, sowie zum Zustand der zurückgesendeten Waren usw.
Im Marketing werden so genannte Scorings zur effektiveren Ansprache genutzt. Dazu ist es erforderlich, weitere Daten zu verarbeiten.
- Eine der wichtigsten Kennzahlen im Marketing ist RFMR (Recency, Frequncy, Monetary Ration). Sie gibt Auskunft darüber, wann Kunden zuletzt gekauft haben, wie häufig sie kaufen und welchen Umsatz sie generieren. Daraus lässt sich u.a. ableiten, wie wertvoll bestimmte Kunden sind, bzw. umgekehrt wie wenig manche Kunden zum Unternehmenserfolg beitragen — mit allen sich daraus ableitenden Konsequenzen.
- Besonders sensibel sind Daten, die sich auf Socrings zur Bonität von Kunden beziehen. Sei es, dass diese durch Geoscoring ermittelt werden, oder über Abfragen bei entsprechenden Anbietern, wie z.B. dem Kreditschutzverband oder Creditreform in Österreich oder der SCHUFA in Deutschland.
Technisch aufwendiger und daher wohl eher von größeren Unternehmen genutzt, werden Daten, die im Zusammenhang mit digitalen Kunden-Interaktionen anfallen und mittels Algorithmen verdichtet werden.
- So werden bspw. zur dynamischen Preisanpassung Daten zusammengetragen, die sich während eines online Anfrage- oder Kaufverhaltens ergeben, und die Rückschlüsse auf die Preissensibilität der Kunden zulassen. Dabei spielen u.a. Informationen zum technischen Equipment eine Rolle (ob Apple oder Windows, ob teures Gerät oder Billigprodukt, ob neu oder veraltet, … welcher Browser verwendet wird, aus welchem Postleitzahlenbezirk Kunden kommen etc.pp.), auch wann diese Interaktionen stattfinden und in welchen Intervallen. Das sind Daten, die Kunden nicht bewusst liefern, sondern die ohne deren Zustimmung und Kenntnis ausgelesen werden und i.d.R. am Ende auch in den meisten Fällen personalisiert werden. (S. dazu EU-Privacy Richtlinie)
Problematisch wird es, wenn z.B. im Zusammenhang mit der Zuordnung von Interessenten oder Kunden zu Clustern typische Merkmale eines Clusters auf Kunden übertragen werden, wie z.B. Risikoaffinität. Verschärft wird dies, wenn z.B. die großen Mengen an persönlichen Daten aus sozialen Netzwerken samt Interaktionsmuster zu einem persönlichen Profil aggregiert werden.
Gänzlich fragwürdig wird es, wenn aufgrund solcher und weiterer Daten, die von Big Data Verarbeitern zur Verfügung gestellt werden, Voraussagen auf ein Kundenverhalten gemacht werden und davon dann Geschäftsgebaren, Preis- und Konditionenpolitik abgeleitet werden, ohne dass der Kunde davon auch nur den Schimmer einer Ahnung hat. Gerade im Finanz-, Gesundheits- und Versicherungswesen ist die Verführung dazu sehr groß.
Die DSGVO fordert das Mindset des Marketing heraus
Zuletzt etablierte sich ein Mindset im Marketing, das auf Automation ausgerichtet ist, also auf eine forcierte, Daten getriebene, iterative Herangehensweise in Verbindung mit Agile Marketing
. Für eine solches Mindset bedeutet die DSGVO zunächst eine ‚Störung’, denn es erlaubt bei weitem nicht das, was jetzt schon technisch möglich wäre.
Etwas in den Hintergrund geraten ist in diesem Mindset der Kunde und die Beziehung des Unternehmens zu ihm oder ihr. Die DSGVO ist eine Gelegenheit, den Kunden wieder in das Zentrum der Unternehmensphilosophie zu stellen, im Sinne, wie das Peter Drucker, der wohl einflussreichste Marketing Experte des 20. Jahrhunderts meinte:
The […] task of management is managing the social impacts and the social responsibilities of the enterprise. None of our institutions exists by itself and is an end in itself. Every one is an organ of society and exists for the sake of society. Business is no exception. Free enterprise cannot be justified as being good for business; it can be justified only as being good for society.Peter Drucker, The Dimensions of Management, 1974
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- Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
- Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
- Transparenz
- Zweckbindung
- Datenminimierung
- Integrität und Vertraulichkeit
- Richtigkeit
- Rechenschaftspflicht
- Privacy by Design
- Privacy by Default
In einem weiteren Blogpost 7 Grundsätze der EU Datenschutz Grundverordnung (DSGVO)
gehe ich näher darauf ein und erläutere die Grundsätze der DSGVO.
Dr. Conrad Lienhardt
Unternehmensberater
Rechtskonforme Ausgestaltung und Optimierung von Kundenbeziehungen, Datenschutz
Tel: +43 732 90 80 36 | Mobil: 0699 15 31 67 76 | E-Mail
Editionsgeschichte:
Eingetragen von Dr. Conrad Lienhardt am 19.06.2019 – Last touched: 7.02.2021 – Contents updated: 14.07.2019Hinweis: Ältere Beiträge werden in der Regel nicht aktualisiert, sofern es dazu keinen konkreten Anlass gibt (z.B. Aufforderung zu Richtigstellung, Ergänzung etc.). Dennoch können Beiträge ein aktuelleres Datum einer Überarbeitung zeigen. Zumeist handelt es sich dabei nicht um inhaltliche Änderungen, sondern um technisch veranlasste Änderungen, Korrekturen der Rechtschreibung, Glättung des Stils etc. Daher werden alle LeserInnen darauf hingewiesen, die Beiträge mit Blick auf das Erstellungsdatum zu lesen und ggf. zu überprüfen, ob die Inhalte noch aktuell und gültig sind. Wir können keine Haftung übernehmen, die sich aus einer Nichtbeachtung ergeben könnten.