Österreichs Regierung und die DSGVO
Österreich — Schon das Regierungsprogramm der ÖVP-FPÖ lässt Bedenken bezüglich des Rechtsverständnisses seiner Protagonisten gegenüber geltendem EU Recht aufkommen. Hier wird bereits ein österreichischer Sonderweg bzgl. EU E-Privacy Verordnung angekündigt. Mitte Januar wurde eine Gesetzesnovelle auf den Weg gebracht, die das in Artikel 21 DSGVO geregelte, grundlegende Betroffenenrecht, das Widerspruchsrecht, in Österreich teilweise außer Kraft setzen soll.
Aktuell meldet die Tageszeitung Der Standard vom 16.1.2018, dass Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) eine Novelle in Begutachtung geschickt hat, worin die EU DSGVO überarbeitet werden soll. Genauer soll das in Art. 21 DSGVO verankerte Widerspruchsrecht Betroffener teilweise gestrichen werden. So heißt es in den Erläuterungen zur Novelle:
Das in Art. 21 DSGVO dem Betroffenen in genereller Weise eingeräumte Widerspruchsrecht gegen die Verarbeitung von Daten aus Gründen, die sich aus seiner besonderen Situation ergeben, würde im Großteil der Verwaltungsbereiche einen geordneten Vollzug verunmöglichen, weshalb zur Sicherstellung einer der in Art. 23 Abs. 1 lit. a bis j DSGVO genannten Zwecke in den diesbezüglichen Rechtsgebieten ein Ausschluss des Widerspruchsrechts vorgesehen werden soll.
Begründet, bzw. gerechtfertigt wird die Aushebelung der DSGVO mit diesem Verweis:
Dieses Widerspruchsrecht kann jedoch gemäß Art. 23 DSGVO zur Sicherstellung eines in Abs. 1 lit. a bis j leg. cit. genannten Zweckes durch nationale Bestimmungen beschränkt werden, sofern eine solche Beschränkung notwendig und verhältnismäßig ist. Von der Möglichkeit einer solchen Beschränkung wird durch den vorgeschlagenen Verweis auf § 23 Abs. 3 BFA-VG Gebrauch gemacht.(S. 35)
Erstaunlich ist, dass § 23 Abs. 3 BFA-VG den spätesten Zeitpunkt der physischen Löschung personenbezogener Daten regelt. Warum der Verweis darauf als ausreichend angesehen wird, um Art. 21 eines verbindlichen EU Gesetzes zu streichen, wird nicht erklärt. Es ist zudem nicht nachvollziehbar, warum der Verweis auf das BFA-Verfahrensgesetz die Kriterien von ‚notwendig’ und ‚verhältnismäßig’ begründen könnte.
Zwar wird mit mehr oder weniger allgemeinen Behauptungen, wie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung
der Verweis begründet, aber ausreichend stichhaltig, um ein Grundprinzip der EU DSGVO einzuschränken oder gar auszuhebeln, dürfte das nicht sein.
Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung als allgemeines öffentliches Interesse und zur Sicherstellung der mit der Verarbeitung personenbezogener Daten von Meldepflichtigen verbundenen Ordnungsfunktion ist die gesetzlich vorgesehene Verarbeitung der betreffenden Daten zur Erfüllung der den Behörden übertragenen Aufgaben jedoch – bis zu deren gesetzlich vorgesehenen Löschung – zu jedem Zeitpunkt erforderlich.(S. 6)
Es leuchtet unschwer ein, dass dies Argument letztlich alle EU Mitgliedstaaten geltend machen könnten, da alle an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gelegen sein dürfte. Nachdem bis auf Österreich und Slowenien alle EU Mitgliedsstaaten der DSGVO zugestimmt haben, kann Österreichs Argumentation nur als vorgeschoben gewertet werden. Österreich wird erkennen müssen, dass EU Recht nicht durch nationale, parteitaktisch forcierte Gesetze aufgehoben werden kann.
Insgesamt scheint Österreich mit dieser Haltung gegenüber geltendem EU Recht im Gleichschritt mit Victor Orbans Ungarn und Jarosław Kaczyńskis Polen zu marschieren. Auch dort wird EU Recht nach Belieben ignoriert und Rechtsstaatlichkeit ausschließlich ideologisch interpretiert.
Siehe dazu auch den Beitrag Obrigkeitsstaat Österreich: Eine Behörde ist eine Behörde
Dr. Conrad Lienhardt
Unternehmensberater
Rechtskonforme Ausgestaltung und Optimierung von Kundenbeziehungen, Datenschutz
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Editionsgeschichte:
Eingetragen von Dr. Conrad Lienhardt am 18.01.2018 – Last touched: 5.01.2020 – Contents updated: 5.01.2020Hinweis: Ältere Beiträge werden in der Regel nicht aktualisiert, sofern es dazu keinen konkreten Anlass gibt (z.B. Aufforderung zu Richtigstellung, Ergänzung etc.). Dennoch können Beiträge ein aktuelleres Datum einer Überarbeitung zeigen. Zumeist handelt es sich dabei nicht um inhaltliche Änderungen, sondern um technisch veranlasste Änderungen, Korrekturen der Rechtschreibung, Glättung des Stils etc. Daher werden alle LeserInnen darauf hingewiesen, die Beiträge mit Blick auf das Erstellungsdatum zu lesen und ggf. zu überprüfen, ob die Inhalte noch aktuell und gültig sind. Wir können keine Haftung übernehmen, die sich aus einer Nichtbeachtung ergeben könnten.